17 Jun Emily Dagtekin
Was wäre wenn man Zeitreisen machen könnte?
Zeitreisen in die Zukunft ist ja bekanntlich nicht unmöglich. Man muss Objekte bloß lang genug auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigen und schon vergeht deren persönliche Zeit langsamer, als bei uns auf der Erde. Doch in die Vergangenheit kann niemand zurück. Was vorbei ist, ist vorbei und bleibt nur noch eine Erinnerung. Meine Fragestellung bezieht sich also eher auf das wirklich unmögliche, nämlich in der Zeit zurückreisen. Im Ideenfindungsprozess hat mich ein langes Telefonat mit meiner Oma über ihre Jugend im Vergleich zur heutigen Zeit, sich wandelnde Wertevorstellungen, Träume und Wünsche dazu gebracht, darüber nachzudenken, in ihre Kindheit zu gelangen. Wie es wäre, die Zeit zurückzudrehen. Und auf einmal hatte ich ein klares Bild im Kopf, wie ich mir persönlich Zeitreisen vorstelle, natürlich auch sehr metaphorisch und bildlich gedacht, aber trotzdem war es ein Gefühl, wie es sein könnte.
Der Prozess von der ersten Stunde, bis zur endgültigen Ideenfindung war sehr langwierig, was meine Mappe auch verdeutlicht. Viele Zwischenschritte, viele Veränderungen der Situation (z.B. durch Corona), grenzten meine Möglichkeiten ein, was ich allerdings eher als positiv empfand, da diese Aufgabenstellung für meine Verhältnisse sehr, wenn nicht zu, frei war.
Stundenlanges googeln führte zu viel Inspiration, vor allem mein Künstlervorbild und die vielen gespeicherten inspirierenden Bilder gaben dem ganzen Projekt eine Richtung. Ich wollte (musste, da zuhause eher wenig vorhanden) ohne Farbe arbeiten, hatte eine große Plakate, viele Bleistifte und schwarze Marker zur Verfügung. Aus meiner Galerie ging sehr schnell ein Muster hervor. Ich wollte Bewegung in meinen Bildern, trotzdem Schlichtheit, starke Hell-Dunkel und Schwarz-Weiß-Kontraste, optische Täuschungen und einen emotionalen Faktor in meinen Bildern darstellen. Den Verlauf einer Zeitreise konnte man am besten mit mehreren Zwischenschritten darstellen, weshalb ich als Endprodukte auch drei einzelne Bilder habe, die trotzdem in Zusammenhang stehen.
Mein erstes Projekt stellt ein Zeitloch dar, in welches man hineinfallen kann. Man sieht kein Ende, es wirkt sehr tief, hat allerdings einen Rand, was bedeutet, man hat die freie Wahl, dort hinein zu fallen. Es soll bedrohlich, aber auch anziehend auf den Betrachter wirken, eine Art hypnotische Wirkung, die durch die optische Täuschung eines platten Blatt Papiers zu etwas dreidimensionalen erzeugt wirkt. Gut gelungen hierbei ist mir die Symmetrie und die Schattierung, die dem ganzen Tiefe gibt. Bei genauerem Hinschauen sieht man, dass an einzelnen Stellen noch genauer hätte gearbeitet werden können, Linien etwas wellig sind und das schwarz nicht ganz einheitlich, doch das gesamte Werk, ist mir meiner Meinung nach gut gelungen.
Der zweite Schritt der Zeitreise soll den Prozess der Auflösung von Körpern darstellen, die von der einen Zeitzone in eine andere gelangen wollen. Dafür müssen die Körper der Menschen, die in das Zeitloch gesprungen sind allerdings bis auf ihre kleinsten Atome zersetzt werden, um den Zeitsprung zu schaffen.
Eine ganz andere Technik als beim ersten Bild könnte für Verwirrung sorgen, doch ich denke, man kann schnell den Inhalt deuten und so den Zusammenhang wiederherstellen. Ich habe hierfür eine Punktetechnik gewählt, wieder den Schwarz-Weiß-Kontrast und somit eine Bewegung in das Bild gebracht, welches diesen Auflösungsprozess auf Grund der vielen kleinen Punkte gut darstellt.
Ich hätte hier auf jeden Fall noch viel mehr Punkte setzen können, um die Wirkung von Schatten auf den Gesichtern noch zu verstärken. Auch empfinde ich die formale Anordnung der einzelnen Objekte auf dem Bild etwas unstimmig, es gibt viele freie Flächen und dann wieder sehr volle. Dort die starre Symmetrie der anderen beiden Bilder etwas genauer aufzugreifen, wäre ein Verbesserungsvorschlag für mein zweites Bild.
Nun zu meinem letzten Projekt, was wieder die extreme Verwendung von Symmetrie und schwarzen Flächen aus dem ersten Bild aufgreift und somit meine kleine Geschichte des Zeitreisens abschließen soll. Beim letzten Bild habe ich mich für klare Zweidimensionalität entschieden, da in meiner Vorstellung die Zeit als viele Scheiben existiert, wie bei einem Brot oder wie die Seiten eines Buches. Gelangt man also in eine vergangene Zeit, ist das so, als würde man sich von einer Seite eines Buches zu einer anderen bewegen. Wenn man dort angekommen ist, braucht es eine Weile um die Dimensionen wieder mit der Zeit zu vereinen. Deshalb habe ich auf Schatten und jegliche dreidimensionale Objekte in meinem dritten Bild verzichtet. Allerdings ist hier im Bezug auf Sauberkeit nicht alles so perfekt gelaufen. Die Streifen sind teilweise unterschiedlich dick und grade, was im Gesamtwerk nicht auffällt, von Nahem allerdings sehr. Würde ich dieses Bild ein zweites Mal malen, würde ich auf Genauigkeit und Sauberkeit acht geben, auch wenn dies sehr viel Geduld und Konzentration bedeutet.
In unserer Ausstellung hätte ich meine Bilder wie oben dargestellt in Leserichtung aufgehängt.
Mir gefällt dieser Gesamteindruck, denn die Bilder sind sehr unterschiedlich, schwer miteinander vereinbar, doch werden durch Inhalt und Farbgebung zu einem Ganzen. Die unterschiedlichen Techniken haben mir sehr viel Spaß gemacht und ziehen meiner Empfindung nach auch die Blicke des Betrachters auf sich, was ich natürlich wichtig finde. Kunst sollte Interesse wecken, Spaß machen, Emotionen vermitteln, Raum für Gedanken lassen und vor allem dem Künstler oder der Künstlerin Freude beim Machen bereiten. Da der Prozess dieses Langzeitprojektes und die Fragestellung mir sehr viel an neuen Techniken des Zeichnens und Malens beigebracht hat, sowie auch inhaltlich so gestaltet werden konnte, wie man wollte und hierbei keine Grenzen gesetzt wurden, bin ich zufrieden mit meinem Ergebnis und würde diese Aufgabenstellung unbedingt auch für nachfolgende Kunstkurse weiterempfehlen.