ewg-kunst.de | Flo Philipps
16288
post-template-default,single,single-post,postid-16288,single-format-standard,vcwb,ajax_fade,page_not_loaded,,qode-title-hidden,qode-theme-ver-10.0,wpb-js-composer js-comp-ver-4.12,vc_responsive

Flo Philipps

Was wäre wenn wir perfekt wären?

Perfektion: „Höchste Vollendung in der [technischen] Beherrschung, Ausführung von etwas, in der äußeren Form o. Ä.; vollkommene Meisterschaft „
Duden

Dann wären wir keine Menschen mehr. Menschen sind nicht unfehlbar, Menschen sind auch nicht perfekt. Aber was wäre wenn wir etwas entwickeln, dass annähernd perfekt ist? Was wäre wenn wir durch Innovation eine neue, bessere Version von uns erschaffen? Kann das der Mensch überhaupt? Könnten wir, als unvollendete Wesen, etwas Perfektes erschaffen…? Ich bin nicht perfekt, du bist nicht perfekt. Wir sind Menschen, und Menschen sind nun mal nicht perfekt. Wäre die Welt besser, wenn wir perfekt wären? Ich glaube nicht. Viele Dinge wie Krieg und die Klimakrise würden wahrscheinlich nicht existieren und wir würden in einer nahezu utopischen Welt leben… oder? Wenn wir jedoch perfekt wären, wären alle Menschen gleich. Es gäbe keine Abwechslung, nur langweilige Monotonie. Es würde keine Gefühle mehr geben, denn diese sind zu subjektiv und somit nicht perfekt. Das heißt wir wären alle gleich, langweilig, gefühlslos, kalt… Wie eine Maschine…

Bei dem Gemälde handelt es sich um das Portrait einer Person deren Haut zerrissen ist, dadurch kommt ihre wirkliche Gestalt zum Vorschein, denn unter der aufgerissenen Haut befindet sich ein Roboter. Im Bereich der Mundpartie hängt die Haut vom Schädel herab und auch die rechte Schulter ist offen, darunter wird die Maschinerie sichtbar. Gemalt wurde mit Acrylfarben, für Schattierungen mit Kohle und für Details mit Feinliner. Die Augen sind ein besonderer Eyecatcher, die Leinwand ist an ihrer Stelle aufgerissen und aus den Löchern quillt schwarze Folie. Im Hintergrund befinden sich schlichte Bleistiftzeichnungen von rechten Winkeln, Goldenen Schnitten und unterschiedlichen Maschinenteilen. Diese sind collagenartig dort festgeklebt. Herausstechend ist ein Farbfoto von einem kleinen Kind, welches zur Hälfte als ein Roboter geschminkt wurde.

Durch die fehlenden Augen sollen der abgebildeten Person die Persönlichkeit, die Vergangenheit und die damit verbundene Menschlichkeit genommen werden. Augen zählen als ein Tor zur Seele, dieses wurde dem Portrait jedoch genommen. Das heißt auf die Frage bezogen, wenn wir Menschen perfekt wären, würden wir uns zu funktionierenden Robotern entwickeln, denen die Seele und somit auch jegliche Menschlichkeit genommen wurde.

Mein Entwurf hat einen langen Entwicklungsprozess hinter sich. Am Anfang hatte ich nur eine grobe Grundidee, welche sich zu einer genaueren entwickelte, aber am Ende kam nochmal ein ganz anderes Ergebnis dabei raus. Zu Beginn bestand nur die Idee eines Portraits, gemalt auf einer Leinwand, dem die Augen fehlen. Außerdem wollte ich den gesellschaftlichen Druck, immer gut genug, wenn nicht noch besser als andere zu sein, mit einfließen lassen. Dadurch entwickelte sich die erste Leitfrage, „Was wäre wenn der Mensch überholt wäre“, es also eine bessere Version des Menschen geben würde. Diese wollte ich sinnvoll durch eine Koppelung von Mensch und Maschine umsetzen. Während des Arbeitsprozesses hat sich jedoch eine neue, ebenso passende Leitfrage gebildet, „Was wäre wenn der Mensch perfekt wäre?“. Diese konnte ich immer noch gut auf den Gesellschaftsdruck beziehen und eine Umsetzung, mit der Verbindung von Mensch und Maschine, war ebenfalls immer noch plausibel. Des Weiteren habe ich kreative Wege gefunden meine Leitfrage in mein Portrait einzubringen, zum Beispiel durch aussagekräftige Symbole: Die fehlenden Augen (= fehlende Menschlichkeit) sowie Skizzen vom Goldenen Schnitt, rechten Winkeln und anderen Maschinenbauteilen im Hintergrund (= Perfektion). Ich habe sorgfältig gearbeitet und bin geplant vorgegangen. Ich habe erst einen Gedanken entwickelt, diesen schriftlich festgehalten, danach mehrere Skizzen angefertigt und erst dann mit dem richtigen Projekt begonnen. Um meine Gedanken und Gefühle in meinem Werk zum Ausdruck zu bringen, habe ich sowohl mit unterschiedlichen Materialien, als auch Techniken gearbeitet. Zu den Materialien gehörten, Acrylfarbe, Alu- und Klarsichtfolie, Bleistift und Papier, sowie Faden und Klebstoff. Gearbeitet habe ich mit Pinseln, Spachteln und Stiften, gemalt habe ich aber größtenteils mit den Fingern. Zu guter Letzt ist mein Projekt vielschichtig und kommunikationsfördernd. Von mir gibt es zwar klare Absichten, jedoch ist es jedem freigestellt, alles zu interpretieren. Die dahinter stehende Fragestellung regt zur Selbstreflektion und zum Hinterfragen an.

Ich selbst würde mein Werk als gelungen bezeichnen, da in ihm ein langer Entwicklungsprozess vorhanden ist. Auch wenn ich die benötigte Zeit stark unterschätzt habe, konnte ich dennoch rechtzeitig fertig werden. Und auch unter den neuen Umständen habe ich für jedes Problem eine Lösung gefunden. Ich musste zum Beispiel spontan neue Farben bestellen. Auch als mir bestimmte Materialien gefehlt haben, konnte ich andere Lösungen für dieses Problem finden.

Um abschließend noch einmal auf meine Fragestellung zurückzukommen: Während des Entwicklungsprozesses bin ich zu dem Schluss gekommen, dass der Mensch nicht perfekt sein kann. Und selbst wenn er es wäre, könnte man ihn nicht mehr als Menschen bezeichnen, da ihm wesentliche menschliche Merkmale fehlen. Diese Feststellung hat bei mir zu der Schlussfolgerung geführt, da mir dies beim Arbeiten viele Probleme bereitet hat, das auch mein Werk nicht perfekt sein kann und erst recht nicht sein muss.

Der Mensch ist nicht perfekt. Mein Projekt ist nicht perfekt. Nichts ist perfekt.