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Hannah Schürmann

was wäre wenn man die Ängste der anderen Menschen sehen könnte?

Das ist die Frage, welche ich mir zu Beginn des Projektes selbst gestellt habe und welche ich im Laufe der Zeit für mich beantwortet habe.
Ich hatte verschiedene Ansätze und Umsetzungsideen von denen ich nicht alle genommen habe.
Mein erster Gedanke war quasi ein vorher-nachher darzustellen. Also das man beispielsweise durch die Straßen läuft, eine Person sieht und dann sich die Umgebung verändert, so dass ihre Angst sichtbar wird.
Als Beispiel-Skizze habe ich hier die Angst vor Wasser, bzw. vor dem Ertrinken. Zu sehen ist eine Straße, in der eine Person steht. Auf dem erste Bild ist noch alles normal, auf dem zweiten Bild wird dann die ganze Straße geflutet.
Ich wollte mehrere Bilder dieser Art machen um verschiedenen Ängste darzustellen, doch am Ende entschied ich mich dagegen, da ich dann sehr oft das gleiche hätte malen müssen, und ich nur bei einem Medium geblieben wäre, ich aber das Projekt nutzen wollte um ein bisschen mehr auszuprobieren.
Also hab ich weiter überlegt und kam auf den Gedanken, dass ich etwas interaktives machen wollte. Die Projekte von uns sollten (vor Corona) ausgestellt werden und ich dachte, dass es interessant für den Besucher wäre, die Sachen nicht nur zu sehen, sondern auch anfassen zu können.

Ich kam recht schnell auf verschiedene Ideen die mit Kinderspielzeug zu tun hatten. Das liegt daran, dass ich das Thema Angst mit Kindern verbinde die beispielsweise Angst vor dem Monster im Schrank haben. Deshalb habe ich verschiedene Darstellungen der Angst in Kombination mit einem Kinderspielzeug entworfen. Doch auch die Idee habe ich zum Großteil wieder verworfen, da dann die Corona Zeit kam und ich nicht alle benötigten Materialien zu Hause hatte um es so umzusetzen wie ich es gerne wollte. Beispielsweise wollte ich einen Kinder-Spielzeug-Fernseher, durch welchen man verschiedene Bild aus einer weit erlebten Entfernung sehen kann, mt eigenen Bildern gestalten, ein lustiges Spielzeug, mit schönen Bildern, wäre dann plötzlich zu etwas unheimlichen, beängstigenden geworden. Alleine, dass sich etwas vertrautes, ein Spielzeug, in etwas fremdes verwandelt hat finde ich schon etwas beängstigendes oder auch unheimlches, das merkt man beispielsweise auch an vielen Filmen, die mit einem unheimlichen Clown, Kinderliedern oder verlassende Spielplätzen (hier hat die Corona-Zeit mein Projekt leider überholt) arbeiten. Ich hatte vor, mit Jojos zu arbeiten um Bewegung mit ins Spiel zu bringen und Tröten um Töne dabei zu haben damit der Zuschauer, die Zuschauerin mit allen Sinnen durch die Ausstellung hätte gehen können.

Ich wollte aber trotzdem auf einer etwas abstrakteren Ebene bleiben als auf der vorher-nachher Idee, also habe ich einfach etwas rumprobiert und mit verschiedenen Materialien herumgespielt. Ich wollte etwas plastischeres als nur Zeichnungen und ich wollte die Angst Darstellen um Gefühle herüberzubringen und nicht deutliche Bilder zur Beantwortung der Frage. Außerdem überlegte ich gleichzeitig was es mit mir machen würde, immer die Ängste anderer vor Augen zu haben. Allein bei dem Prozess für die Aufgabe habe ich gemerkt das das Thema belastend ist, im Nachhinein würde ich mir also vielleicht lieber eine fröhlichere Frage stellen.
Nicht alle Ideen die ich hatte habe ich auch umgesetzt aber die Arbeiten welche es von einer Skizze zur Umsetzung geschafft haben möchte ich hier noch weiter erläutern.

Klaustrophobie: Angst vor engen Räumen
Klaustrophobie ist die Angst vor kleinen oder engen Räumen. Menschen die an einer solchen Angst leiden, fühlen in weniger großen Räumen ein schnürendes Gefühl, bekommen Panik und haben oft das Gefühl, dass der Raum kleiner wird. Dieses Gefühl der Enge wollte ich darstellen. Dazu habe ich eine Streichholzpackung genutzt, da sie schön winzig ist. Weil Menschen mit Klaustrophobie oft Fahrstühle nicht mögen, da in diesen engen Aufzügen die Angst oft ausgelöst wird, habe ich die Streichholzpackung zu einem Fahrstuhl gemacht, aus dem der Klaustrophobiker dann herauskommt, wenn man den Fahrstuhl hochzieht.

Agoraphobie: Angst vor weiten Plätzen
Diese Angst beschreibt in gewisser Weise das Gegenteil von der Klaustrophobie. Da es hierbei um die Weite geht, habe ich mich für ein großes Stück Papier als Material entschieden, dabei unterstreiche ich in doppelter Weise die Angst der „Eintönigkeit“ (Objektlosigkeit) die in der Agoraphobie mit inbegriffen ist. Die Menschen die an solch einer Phobie leiden, beschreiben ihr Erleben, als ein Gefühl, sich zu verlieren, auseinander zufallen darum habe ich dieses Gefühl ganz konkret dargestellt, als ein Mensch der auseinander fällt. Da die Orte, Landschaften nicht mehr als „schön“ erlebt werden habe ich mit grellen Farben gearbeitet, welche die Landschaft entstellen, verfremden sollen. Die wenigen Anhaltspunkte welche in der leeren Landschaft sind verraten nichts über den konkreten Ort. Damit wollte ich zeigen, dass es sich hierbei nicht um einen bestimmten Ort handelt der die Angst auslöst, sondern um weite Räume im allgemeinen.

Angst beobachtet zu werden, verfolgt zu werden (Paranoid)
Bei dieser Angst handelt es sich um eine Angst, ständig und überall beobachtet, betrachtet, bewertet, angesehen zu werden. Aus diesem Grunde habe ich mich für die Technik des Schichten entschieden um deutlich zu machen, dass der Beobachter sich überall befinden kann, sozusagen in jeder Ecke. Ist jemand Paranoid, kann er also Realität und Phantasie nicht mehr unterscheiden, kann es auch sein, dass dieser überzeugt ist, von Händen beobachtet zu werden. Ich habe die Hände extra so gestaltet, dass man auch denken könnte sie seien eigenständige Wesen um den Wahn, der in dieser Angst steckt herauszuarbeiten.So auch das hängende Auge welches etwas lebendiges hat, obwohl ein solches Auge eigentlich „tot“ wäre und nicht mehr funktionieren könnte und sich nicht bewegen kann.

Angst vorm zu dick werden.
Diese Angst haben viele (zu meist Mädchen) die sich zu dick finden und im schlimmsten Fall deswegen Magersüchtig sind. Sie haben oft eine Körperschemastörung und sehen sich, als viel dicker an, als sie sind. Dies habe ich auf dem Bild zum Ausdruck bringen wollen. Leidet Jemand unter dieser Angst wäre ein Lolli, wie ich ihn für die Collage benutzt habe, keine leckere Süßigkeit, sondern etwas was sie auf der Stelle zu einem dicken Etwas machen würde. Ich habe mich für eine Collage mit Zerrissenen Bild entschieden um den inneren Konflikt der Menschen darzustellen und um den Riss der zwischen der Realität und dem was die Menschen denken was Real ist darzustellen (Körperschemastörung). Weiter soll dies auch durch die verschiedenen Techniken die ich für die Bilder benutzt habe dargestellt werden. Der Lolli soll hierbei das Bindeglied sein.

Doch, wenn ich all diese Ängste der Menschen in meinem Alltag immer und immer wieder sehen würde, wie würde es mir damit eigentlich gehen?

Auch mit dieser Frage habe ich mich beschäftigt und sie findet ihre Antwort in dem letzten meiner Arbeiten.
Es ist ein Modell mit einem Kopf in einem kleinen Glas, welches soweit mit Wasser gefüllt ist, dass Mund und Nase bedeckt sind. Außen sind Hände die aus dem schwarzen Boden kommen und nach dem Glas mit dem Kopf greifen.
Ich habe mir gedacht, dass es sehr verstörend, belastend und beängstigend wäre. Und diese Begriffe habe ich direkt mit dem Gefühl verbunden keine Luft mehr zu bekommen. Ich glaube ich hätte das Gefühl zu ersticken, hilflos zu sein gegenüber dem ständigen negativen Input den ich bekommen würde und hätte dadurch auch das Gefühl, dass jemand oder etwas dauernd nach mir greift. Dafür die Hände. Ich könnte mir auch vorstellen, dass ich manche Ängste von anderen annehmen würde, deshalb spiegeln sich in dem Modell auch beispielsweise die Klaustrophobie oder die Hände von dem paraoiden wieder.
Die Angst vorm Wasser war mein erster Skizzenentwurf und auch dieser findet sich hier wieder, weil der Kopf quasi im Wasser ertrinkt.
Ich denke es hätte eine äußerst negative Wirkung auf mich und ich wüsste nicht, ob ich mich daran gewöhnen könnte. Vielleicht würde ich es mit der Zeit ausblenden aber ich denke das es mir eher immer schlechter gehen würde.
Dementsprechend bin ich sehr froh, das ich nicht die Ängste der anderen Menschen sehen kann.