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Lucie Rentsch

was wäre wenn ich nicht mehr schlafen würde?


In meinem Kunstprojekt habe ich mich mit der Frage “Was wäre wenn ich nicht mehr schlafen würde?” beschäftigt. Schlaf ist bekanntlich die beste Medizin, denn schlafen lässt uns Erlebtes verarbeiten und gibt uns Energie. Aber was würde denn eigentlich passieren wenn man nicht mehr schläft? Diese Frage habe ich mir gestellt und etwas dazu recherchiert. Meine Recherche zeigt dass der Mensch nach und nach an Fähigkeiten verliert und seine Lebensqualität sinkt, auf Grund von Depression oder Paranoia. Bevor es jedoch zu solchen dramatischen Einschränkungen kommt, erlebt der Mensch, dass seine mAufmerksamkeit sinkt und man nicht mehr klar denken kann. Ich habe mich gefragt welche Auswirkungen ein Schlafentzug auf mich persönlich hätte und wie ich mich nach mehreren Stunden ohne Schlaf verhalten würde. Deswegen habe ich ein Selbstexperiment gestartet indem ich insgesamt 33 Stunden nicht geschlafen habe. Währenddessen habe ich ein Gemälde gemalt, welches meine Gefühle und Erlebnisse während des Versuchs darstellen soll. Ich habe in der ersten Nacht einige Skizzen angefertigt und nach ungefähr 20 Stunden Schlafentzug begonnen zu malen. Meine Konzentration und Aufmerksamkeit war zu dem Zeitpunkt schon sehr verschlechtert. Es gab Stunden in denen ich mich sehr müde gefühlt habe und Stunden in denen ich unnormal viel Energie verspürt habe. Deswegen habe ich mich dazu entschlossen mein Bild mit zwei Selbstportraits zu malen, die jeweils diese Zustände verdeutlichen. Das eine Gesicht lacht, während das andere vor Müdigkeit sein Auge nach unten zieht. Die Gesichter sind von Shepard Fairey inspiriert und ich habe versucht seinen Stencilstil mit Acrylfarbe umzusetzen. Für das lachende Gesicht habe ich die Farbe blau ausgewählt, da sie eine kühle Farbe ist und somit im Kontrast zu einem “warmen” und herzlichen Lachen steht. Dadurch sollte das lachende Gesicht weniger freundlich und etwas verrückt und gruselig wirken. Denn wenn man lange nicht schläft, lacht man eigentlich aus Verzweiflung und nicht aus Freude. Deswegen hat das erste Gesicht auch keine Augen. Dadurch wirkt die Person noch etwas verrückter. Zudem ist mir während des Versuchs aufgefallen, dass einem nach einer gewissen Zeit die Augen sehr schwer werden und weh tun und man diese am liebsten nicht fühlen würde. Das zweite Gesicht ist in Rot gemalt. Ich habe Rot ausgewählt, weil es eine Warnfarbe ist und wach hält. Einerseits war dies vorteilhaft für meinem Malprozess, weil ich weniger Müdigkeit empfunden habe und andererseits im Kontrast zu den Gefühlen der gemalten Person steht. Diese ist nämlich die müde Seite des Schlafentzugs, die von der Müdigkeit geplagt ist und am liebsten schlafen gehen würden.

Ich finde den Blau-Rot-Kontrast zwischen den beiden Gesichtern sehr passend, weil sie die beiden gegensätzlichen Seiten der Übermüdung zeigen sollen: die Verrücktheit und die endgültige Müdigkeit. Im Laufe des Experiments konnte Ich immer weniger Gedanken fassen und wurde immer langsamer. Mein Kopf hat sich auf eine Art sehr leer angefühlt, aber keinesfalls klar. Zudem hat sich mein gesamter Körper sehr schwach angefühlt und es war schwierig aufrecht zu sitzen. Ich habe mich so gefühlt wie als würde ich von der Müdigkeit nach unten gezogen werden. Deswegen habe ich über die Acrylmalerei mit Kreide und verdünnter Farbe gemalt. Die Kreide soll meine Gedanken zeigen und wie diese aus meinem Kopf entfliehen und nicht mehr greifbar sind. Außerdem sind die Kreidestriche gewollt unordentlich, um zu zeigen, dass man über keine Kontrolle mehr verfügt. Die Textur der Kreide soll die Leichtigkeit und das “Wegfliegen” der Gedanken symbolisieren. Die verdünnte Farbe habe ich an den Konturen der Personen auf den unteren Rand des Gemäldes fließen lassen, was die Schwere zeigen soll die der Körper empfindet. Die Farbe zieht die Person nach unten und soll zeigen, wie man von Stunde zu Stunde körperlich schwächer wird. Laut meiner Recherche hätte ich eigentlich erwartet, dass ich mich im Laufe des Versuchs immer weniger auf das Malen konzentriert hätte und ich angefangen hätte unordentlicher zu werden und verrücktere Dinge auszuprobieren. Jedoch war das Malen das einzige worauf ich mich noch konzentrieren konnte und bei dem ich vollkommen die Zeit vergessen habe. Das lag hauptsächlich daran, dass ich beim malen nicht das Gefühl hatte nachdenken zu müssen. Deswegen ist das Gemälde am Ende ziemlich ordentlich und weiß geblieben. Dies empfinde ich aber nicht als Nachteil oder falsch, weil das Bild trotzdem repräsentiert wie ich mich gefühlt habe und ich nur etwas anderes erwartet hätte. Und genau das war der Sinn hinter diesem Selbstexperiment: Ich wollte heraus finden, was Schlafentzug in mir persönlich auslöst.

Alles in allem empfinde ich mein Gemälde als gelungen. Ich wollte zeigen wie ich mich gefühlt habe und wie man sich selbst durch die Müdigkeit verliert. Aber leider empfinde ich den Hintergrund als zu weiß und hätte eventuell zuvor den Hintergrund bemalen sollen. Außerdem wirkt das rote Gesicht mehr abstrakt und weniger realistisch als das blaue Gesicht. Wobei das hauptsächlich an meiner Müdigkeit lag und diese Veränderung eigentlich Teil des Werkes ist, wäre es meiner Meinung nach ästhetisch schöner wenn beider Gesichter gleich wären. Abgesehen davon finde ich das Gesamtbild des Gemäldes sehr ansprechend und finde dass es die Frage “Was wäre wenn ich nicht mehr schlafen würde?” größtenteils beantwortet.